30 Jahre lang war der Nachlaß unter Verschluss. Nach
dem Tod Horst H. W. Müllers hat die Hiller-Gesellschaft den Nachlass übernommen.
Ein erster Überblick über den Nachlaß Kurt Hillers:
30 Jahre unzugänglich; da mußte man schon Sorge haben, daß
der Nachlaß in miserablem Zustand sei, doch die Lagerung in der kleinen
Wohnung in der Hallerstraße in Hamburg hat nicht zu Stockflecken durch
Feuchtigkeit geführt. Daß viele Briefe an den Rändern zerknittert
sind, ist Hillers Schuld, der die Briefe jahrgangsweise auf primitive Art zu
Konvoluten zusammengebunden hatte.
Die von der SS im März 1933 gestohlenen Briefe an ihn werden wohl vernichtet
sein, aber der Nachlaß birgt die Briefe an ihn seit Herbst 1934, als
er im Prager Exil eine Zuflucht gefunden hatte. Ebenso gibt es Durchschläge
von Briefen Hillers an andere Personen. Zu den wesentlichen Korrespondenten
gehören Klaus Mann, Ludwig Quidde, Helene Stöcker, Max Brod, Johannes
R. Becher, John Heartfield.
Aus der bundesrepublikanischen Zeit gibt es Briefe von Willy
Brandt, Helmut Schmidt, Gustav Heinemann, Thomas Dehler, Gerhard Schröder
(dem früheren Bundesaussenminster der CDU).
Es fehlen leider die größten Prominentenbriefe, die Hiller separat
in einer Lederschatulle aufbewahrt hatte, wie Briefe von Heinrich und Thomas
Mann, Sigmund Freud, Albert Einstein. Ob Hiller diese selbst zu Lebzeiten veräußert
hat, um sich finanzielle Einnahmen zu verschaffen, oder ob Horst H.W. Müller
sie veräußert hat, ist unbekannt. Vielleicht tauchen diese Briefe
ja einmal im Angebot von Antiquaren oder Auktionshäusern auf.
Manuskripte für geplante Buchausgaben gibt es nicht, wohl aber getippte
Manuskripte von veröffentlichten Zeitschriftenartikeln und von bislang
unbekannten Gedichten. Ebenso Mappen zu den von Hiller geleiteten Gruppen,
zu Einzelpersonen wie Hans Litten und zu Organisationen wie dem PEN.
Persönliche Unterlagen Hillers gibt es in begrenzter Zahl;
seine Zeugnisse als Gymnasiast sind vorhanden, nicht aber z.B. seine Doktorurkunde.
Die Totenmaske, die Horst H.W. Müller nach Hillers Ableben initiierte,
ist vorhanden. Nicht vorhanden sind die "Kalikobücher", in denen
Hiller Aphorismen und Ähnliches notiert hatte.
Bücher von KH sind so gut wie alle als Belegexemplare vorhanden, jedoch
nicht in zahlreichen Duplikaten, da er bei der Flucht von Prag nach England
nur das Nötigste mitnehmen konnte. Zu den Kostbarkeiten des Nachlasses
gehören Bücher von Thomas Mann, Franz Werfel, Hans Blüher u.a.
mit Widmungen an Kurt Hiller.
Einige Bilder sind vorhanden, darunter ein Ölporträt Hillers von
Rudolf Führmann und eine Zeichnung Ludwig Meidners; das Ölporträt
von A. Paul Weber ist jedoch verschollen.
Die positive Sensation des Nachlasses sind die Ganzsachen. Unter "Ganzsachen"
versteht der Philatelist postalische Umschläge mit eingedruckter Briefmarke,
also vor allem Postkarten. Hiller, der schon in jungen Jahren Briefmarkensammler
war, hat diese Ganzsachen philatelistisch gesehen, hat sie von den Briefen
getrennt aufbewahrt; die SS übersah bei ihrem Wohnungseinbruch 1933 diese
Ganzsachen, sodaß mehrere Hundert Postkarten mit Text vor 1933 überlebt
haben. Darunter sind viele Postkarten Hillers (auf Reisen) an seine Mutter,
die der Forschung wesentliche neue Aufschlüsse über seine Aktivitäten
vor 1933 geben. Es finden sich auch Postkarten von Persönlichkeiten wie
Kurt Tucholsky, von Mitarbeitern der Ziel-Jahrbücher, Postkarten an den
"Politischen Rat geistiger Arbeiter" etc. Die grobe Aufarbeitung
des Nachlasses ist noch im Gange. |